von Tanja Löbbecke, Praktikantin des INFOE und Studentin der Ethnologie an der LMU München

Die Online-Diskussion ‘Indigene und Klimawandel’ fand am 17.6.2020 als Kooperationsveranstaltung zwischen dem Institut für Ethnologie der Universität zu Köln und INFOE statt. In dieser virtuellen Podiumsdiskussion konnten Masterstudierende des gleichnamigen Tutoriums sowie weitere Teilnehmer*innen Fragen an die zwei indigenen Vertreter*innen Pasang Dolma Sherpa aus Nepal und Rodion Sulyandziga aus Russland stellen.

Blauer Himmel über Shanghai, Delfine in den Kanälen Venedigs und auch in Deutschland eroberten immer mehr Wildtiere die Stadt während der Covid-19 Pandemie. Ein Weckruf, der zeigt, wie schnell schon etwas dafür getan werden könnte und müsste, damit es unserem Planeten und den Menschen, die auf ihm leben, besser geht. Doch nicht nur Positives ist in den letzten Monaten für die Umwelt passiert. So gab es in Russland eine Öl-Katastrophe, welche noch unvorhersehbare Folgen hat und als Teil der Umweltschädigung gesehen werden kann. (Siehe aktuelle Info auf www.infoe.de)

Von Letzterem berichtete Rodion Sulyandziga aus Russland, der mit seiner Kollegin und Co-Panelistin Pasang Dolma Sherpa die nationale Lage der Auswirkungen des Klimawandels in Russland und Nepal vorstellte. Die Beiden gingen auf die Integration Indigener und von indigenem Wissen in den Klimadiskurs ein, erläuterten die Rolle der Medien in diesem Zusammenhang und stellten Wege und Wünsche zu internationalen, ökologischen Gesetzen und Kollaborationen vor. Da beide unter anderem in UN-Organisationen zum Thema Klimawandel aktiv sind, waren ihre Einblicke vielfältig sowohl hinsichtlich der lokalen als auch der globalen Ebene.

(Fotos aus Video-Interviews mit den beiden Vertreter*innen)

Zu Beginn der Online-Paneldiskussion wird der Kontext der Veranstaltung im Zusammenhang mit dem Tutorium der Universität zu Köln von Sarah Isabell Mund, der Dozentin, vorgestellt. Nach einer Einführung in die Thematik durch Sabine Schielmann von INFOE, wurde den beiden Vortragenden zu Beginn die Frage zu ihrer lokalen Wahrnehmung vom Klimawandel, dessen Auswirkungen und Herausforderungen gestellt. Frau Sherpa erzählt davon, dass sich das traditionelle und alltägliche Leben verändert. Das Eis auf den vielen Bergen Nepals beginnt zu schmelzen. Dadurch kommt es zu einem Tripel-Effekt, welcher das Weiterführen des normalen Lebens und der traditionellen Praktiken stört. So können manche Rituale nicht mehr dann ausgeführt werden, wenn sie es sollten, da beispielsweise der Regen später kommt als früher bzw. als erwartet. Viele Menschen, so Sherpa, geben sich selbst (ihrem Karma, ihren Vorfahren, etc.) die Schuld an der veränderten Umwelt. Dies sieht Sherpa als eine Art Adaption an den Klimawandel an.

Herr Sulyandziga beschreibt die Lage seines Volkes, der Udege, d. h. der im Wald lebenden Indigenen in Russland. Für sie bedeutet die aktuelle Lage eine Klimakrise, ein Gesundheits-, Landrechts-, kulturelles und ökologisches Landschaftsproblem. Dazu nennt Sulyandziga das Paradox, dass Indigene zu den Ersten gehören, welche die Folgen des Klimawandels sehen und spüren. Doch letztendlich gehören sie zu denjenigen Menschen, welche am wenigsten dafür verantwortlich sind. Denn auch in Russland ist das Schmelzen des Eises und Permafrosts ein großes Problem des Klimawandels, wodurch der Lebensunterhalt Indigener wie Fischen und Jagen immer mehr beeinflusst und es schwieriger wird davon zu leben.

Auf die Rückfrage eines Teilnehmenden zu Landrechten in Verbindung mit dem Klimawandel, bringt Frau Sherpa das Problem der Nationalparks auf, welche den Indigenen ihr Land und ihre Lebensgrundlage nehmen. So haben nun aufgrund der Covid-19 Pandemie viele Indigene ihren Job (in der Stadt) verloren, können sich ihren Lebensunterhalt nicht mehr verdienen und zudem ihr Überleben nicht mehr durch Fischen und Jagen in ihrer Heimat erhalten. Zusätzlich fügt Herr Sulyandziga an, dass das Leben der Indigenen, besonders in Zeiten des Klimawandels ein ständiger Anpassungsprozess ist. Dieser Prozess kann allerdings nicht stattfinden, wenn sie kein Land mehr haben mit Hilfe dessen und der dort befindlichen Ressourcen sie sich anpassen können.

Folgend wird von den Studierenden gefragt, inwieweit die beiden Vertreter*innen die Repräsentation von Indigenen und indigenem Wissen im Klimadiskurs wahrnehmen. Dazu teilt Frau Sherpa ihre eigenen Erfahrungen und stellt fest, dass sich im Laufe der Jahre schon viel verändert hat: so mussten Indigene früher bei den Klimakongressen den Diskurs auf einem Bildschirm aus einem Zimmer nebenan betrachten, während sie heute teilweise am selben Tisch mit Regierungsvertreter*innen sitzen. Jedoch sind viele der Herausforderungen immer noch dieselben und ein Umdenken kommt nur schwer in Gang. Es wird sich zu sehr auf den finanziellen Teil und nicht auf das Leben von Indigenen fokussiert, dabei geht es um Leben und Tod. Auch Herr Sulyandziga stellt dar, dass es im globalen Diskurs nach wie vor um den Kampf um Menschenrechte und Rechte auf Wissen für Indigene geht, aber dass es mittlerweile auch viele sind, die sich dafür einsetzen und darum kämpfen und sie nicht alleine sind. Dazu passend, ein aussagekräftiges Zitat von Pasang Sherpa:

Along with the history in COP 21 in 2015 when the adoption of the local communities and indigenous peoples platform has already seen a big history for remarkable changes tilting towards the world globally understanding that the scientific way of living or the scientific way of resources or scientific way of dealing with climate change is not enough unless you hear the people on the ground, unless you hear the local practices, indigenous peoples knowledge and their livelihood you cannot have a sustainable future.”

Als nächstes wird erfragt, wie die beiden Vortragenden indigene Repräsentation in den Medien, besonders in Bezug auf den Klimawandel, wahrnehmen. Hier wird von beiden erläutert, dass die Medien wichtig, aber immer kritisch zu betrachten sind. So muss beachtet werden, welche Menschen angesprochen werden sollen und welche Art von Medien es sind. Frau Sherpa teilt in diesem Zusammenhang eine Erfahrung mit einem Interview, welches sie gemacht hat. Im Endeffekt wurden ihre Aussagen so zusammengeschnitten, dass die wichtigen Informationen ihres Interviews in Bezug auf ihr Engagement für Frauen und indigene Rechte nicht mehr vorkamen.

Zum Schluss wurden die beiden Vertreter*innen noch zu ihrer Meinung in Bezug auf der Einbringung von indigenem Wissen in die Klimawandelgesetzgebung sowie auf Kooperationen und Zusammenarbeit mit Repräsentativen und Wissenschaftler*innen befragt. Frau Sherpa äußert dazu Bedenken, da indigenes, ökologisches Wissen selten respektiert wird und in Gesetzesentwürfen nicht willkommen ist. Dennoch ist eine globale Kooperation wichtig und es muss mehr Aufklärung über Indigene und indigenes Wissen geben. Herr Sulyandziga spricht davon, dass der wissenschaftliche Austausch zwischen Wissenschaftler*innen und den Gemeinschaften wichtig ist und geht auf einen Punkt von Frau Sherpa ein, dass Gender und Gender-Fragen eine wichtige Rolle in der Thematik spielen. Zusätzlich erläutert er, dass Zusammenarbeit eine der wichtigsten Hilfsmittel für indigene Gemeinschaften ist und sie sich erhoffen, diese internationale Zusammenarbeit zu verstärken.

Insgesamt war es eine sehr informative und breit aufgefächerte Panel Diskussion, mit vielen interessanten Einblicken in einen Teil der aktuellen Situationen von Indigenen im Klimadiskurs und angesichts des Klimawandels.