INTERVIEW MIT JOSÉ GUALINGA, PRÄSIDENT VON SARAYAKU

José Gualinga gab INFOE am 07. August in Quito, Ecuador ein kurzes Interview zur Urteilsverkündung im Fall Sarayaku.


INFOE: José Gualinga, herzlichen Glückwunsch im Namen von INFOE zum erfreulichen Ausgang des Prozesses beim Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofs.  Was war die Reaktion der Menschen in Sarayaku auf das Urteil?

JG: Dankeschön! Erst nächsten Sonntag werden die Menschen in Sarayaku offiziell von der Urteilsverkündung erfahren. Es sind gerade Ferien, so dass sich viele Menschen in den Tambos (Jagdhütten) tief im Dschungel befinden, viele wissen noch gar nichts von der Urteilsverkündung. Am Sonntag werden wir also offiziell das Urteil präsentieren und feiern! Für die Vertreter unseres Volkes waren die letzten Monate sehr angespannt, wir warteten auf das Urteil und hatten große Hoffnungen. Als uns dann die Presse anrief und um Stellungnahme bat, hatten wir das Urteil noch gar nicht vorliegen. Als wir es dann endlich gelesen hatten, waren wir sehr zufrieden und es war ein bewegender Moment, nach zehn Jahren juristischen Gefechts mit mehreren Versuchen, den Prozess scheitern zu lassen.

Rafael Correa sagte vor der OAS in Cochabamba, dass Sarayaku eine Gefahr für die Demokratie sei, dass Staatsregierungen unser kleines Volk als eine Gefahr betrachten, finden wir auch sehr befriedigend. Das Urteil ist von großer Bedeutung für alle indigenen Völker dieser Erde, und es war eine wichtige Entscheidung zu Gunsten der Consulta Previa, die freie und vorherige informierte Zustimmung. In dem Urteil hieß es jedoch nicht direkt, dass die Consulta Previa einzuhalten sei, sondern nur, dass die internationalen Standards einzuhalten sind, welche die Consulta Previa beeinhalten.

INFOE: Der Staat Ecuador hat angekündigt, das Urteil zu akzeptieren und zu erfüllen. Wird der Staat tatsächlich die Sprengkörper aus dem Territorium abziehen und die Strafe zahlen?

JG: Der Gerichtshof hat dem Staat eine Frist von einem Jahr eingeräumt, verschiedene Dinge zu erfüllen: In einem halben Jahr muss ein Plan zur Räumung der Sprengkörper vorliegen, und binnen einen Jahres muss der Staat einen Erfolgsbericht vorlegen. Es ist also obligatorisch.

Es war nie unser Ziel, eine ökonomische Entschädigung dieser Größenordnung zu erhalten. Wir verlangten die Räumung der Sprengstoffe, die Anerkennung,  dass Menschenrechte verletzt wurden, und die Ersetzung von materiellen Schäden im Wert von $90.000.

INFOE: Was bedeutet das Urteil zugunsten Sarayakus für andere Völker in ähnlichen Situationen? Gab es schon Reaktionen von anderen Völkern zum Urteil?

JG: Dies ist ein symbolischer Fall von Kampf und Widerstand, welcher ein Beispiel für andere betroffene indigene Völker der Erde ist. Im Jahr 2002 waren wir eines der ersten Völker welche „Schluss!“ sagten, und uns aktiv widersetzten. Erst schien ein Widerstand schwierig, viele hatten Angst vor den allmächtigen Erdölfirmen. Viele Menschen in den indigenen Gemeinden wurden entzweit, beleidigt, gefoltert. Aber dieser Prozess zeigt, dass man es schaffen kann, die Verursacher diesen Übels auf die Anklagebank zu bringen.

INFOE: Vielen Dank, und viel Erfolg noch!