von Lara Maria Chmela
Wir befinden uns in einer Zeit der multiplen Krisen. Die Umweltkrise, die über aller Zukunft und Gegenwart wie eine drohende Wolke hängt, ist eng verknüpft mit sozialen Krisen der Ausbeutung und Verdrängung indigenen Wissens. In meinem Umfeld und in mir selbst begegnen mir angesichts dessen oft Zynismus, Resignation und Wut, hinter denen Gefühle von Trauer, Entfremdung und Ohnmacht stehen.
Wir können dem entgegentreten, indem wir uns anderen worldings entsinnen, anderen Arten, die Welt zu sehen und zu ‚bauen‘. Indem wir von Welten erzählen, die eine heilsamere Beziehung zu unserer Umwelt beinhalten. Und indem wir schauen, wo es solche schon gibt und sie in unser Leben tragen.
Um einen tiefgehenden gesellschaftlichen Wandel voranzubringen, halte ich eine grundlegend reflektierte Umweltpädagogik für Kinder für äußerst sinnvoll. Nicht immer wird dabei die Umsetzung den Ansprüchen gerecht: Oftmals bewegt sich Kritik an der Oberfläche, etwa wenn globale Machtverhältnisse und dominierende Weltbilder als Ursache für (Umwelt-)Probleme nicht infrage gestellt werden.
In meiner Bachelorarbeit habe ich deshalb drei Geschichten und Module der von Infoe e.V. veröffentlichten ‚Kinderfibel‘ genauer auf solche „dominierenden Weltbilder“ untersucht (die Geschichten zu den SDGs 6, 12 und 15). Zunächst wäre da der Anthropozentrismus, in dem der Mensch nicht nur ins Zentrum gestellt wird, sondern vor allem hierarchisiert und vereinzelt wird. Außerdem der Animismus, der die Welt als belebt versteht, im Gegensatz zur dominanten Vorstellung der Umwelt als Ressource, von der wir entfremdet und getrennt sind.
Nach meinen Analysepunkten erfüllen die Erzählungen in Verknüpfung mit ihren Arbeitsmodulen die Anforderungen einer fundamental reflektierten Umweltpädagogik: Die Trennung zwischen Mensch und ‚Natur‘ wird aufgelöst. In allen dreien wird ein auf Verbindungen und Verflechtungen beruhendes Weltbild erzählt, im Gegensatz zu einem, in dem der Mensch einzeln und erhöht in Zentrum steht. Der Umwelt wird Lebendigkeit zugesprochen, Nicht-Menschen handeln selbstständig und zeigen ein buntes Gefühlsleben.
Die Umsetzung dessen war leider nicht Schwerpunkt meiner Arbeit, aber in Gesprächen mit den Herausgeberinnen bekam ich spannende Einblicke in die kreative und wandelbare praktische Anwendung der Theorie. Die ‚Kinderfibel‘ kann also ein toller Teil des Weges in ein anderes worlding sein, in eine empathischere und gefühlvollere Gesellschaft, in der ein egalitäres und reziprokes Verhältnis zu unserer Umwelt genauso selbstverständlich ist wie Respekt vor anders-als-menschlichen Lebewesen. Das ist meiner Meinung nach die Grundlage, um aus Zynismus und Resignation auszubrechen und in Verbindung zu kommen, zu dem was wir Natur nennen und zu uns selbst.
Falls ihr euch mit den Themen Verflechtung und Lebendigkeit weiter auseinandersetzen möchtet, empfehle ich euch die Bücher „Der Pilz am Ende der Welt“ von Anna Tsing und „Braiding Sweetgrass“ von Robin Kimmerer. Vor allem letzteres half mir persönlich durch die indigene Sichtweise der Autorin immer wieder die Verwobenheit des Lebens nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen zu erfahren. Falls ihr Erfahrung mit wissenschaftlichem Lesen habt, empfehle ich außerdem „Staying with the trouble“ von Donna Haraway. Die Verknüpfung von Umweltpädagogik, Storytelling und indigenem Wissen gelingt Joseph Bruchac und Michael Caduto in „Keepers of the Earth“ besonders schön.
Das Titelbild wurde in einem Moment aufgenommen, in dem mich viele aufwühlende Gefühle überrollten und ich besonders klar die theoretischen Überlegungen meiner Bachelorarbeit be-griff. Ich saß inmitten der Soča in Slowenien und spürte plötzlich den Fluss ganz deutlich, dieses lebendige große Wesen, das meine Ängste und festgefahrenen Gedanken einfach mit sich forttrug. Ich fühlte mich als Teil dieser wunderbar wilden Welt.
Hier findet Ihr die Bachelorarbeit von Lara Maria Chmela.