von Jasmin Schütz

Vor der Küste Alaskas: Wie der Klimawandel das Schicksal ganzer Gemeinschaften verändert

Der Banner auf der Website der Shishmaref Ersoion and Relocation Coalition trägt eine Botschaft, die so einfach wie tiefgreifend ist: “We are worth saving!” [1]Diese Worte fangen den Hilferuf der indigenen Gemeinschaften Alaskas ein, deren Lebensweise durch den anthropogenen Klimawandel bedroht ist. Die Einwohner Alaskas, die seit Jahrhunderten in Harmonie mit der Natur leben, stehen nun vor den Herausforderungen der globalen Klimakrise, einer Krise, die unmittelbar die Lebensrealität ganzer Gemeinschaften erschüttert.

Alaska, eine Region bekannt für ihre atemberaubende arktische Landschaft und extremen klimatischen Bedingungen, steht an vorderster Front des Klimawandels und bietet damit einen Vorgriff auf die globalen Umweltveränderungen, die uns bevorstehen. In diesem entlegenen Teil der Welt werden die Folgen der globalen Erwärmung besonders deutlich sichtbar: Der Permafrost taut in einem beunruhigenden Tempo auf, der Meeresspiegel steigt, und das Meereis schwindet zunehmend.[2] Diese Entwicklungen haben gravierende Auswirkungen, von der Zerstörung von Wohnraum bis hin zum Einsturz von Infrastruktur und dem Abbruch ganzer Küstenabschnitte ins Meer.[3] Der dramatische Rückgang des Permafrosts und des Eises verändert nicht nur die Gestalt der Landschaft Alaskas, sondern gefährdet auch die Existenzgrundlage seiner teils indigenen Bevölkerung. Jahrhundertealte Traditionen der Jagd und Fischerei, die tief in den Lebensweisen der Gemeinschaften verankert sind, werden durch die sich wandelnden Umweltbedingungen bedroht. Die Veränderungen in Flora und Fauna, einschließlich Krankheiten, das Verschwinden von Arten oder die Veränderung ihrer Wanderwege, untergraben die traditionellen Ernährungs- und Lebensweisen vieler Gemeinschaften.[4]

Eine dieser Gemeinschaften ist Newton, eine Siedlung im südlichen Alaska. Die Situation dieser indigenen Gemeinschaft, die mit den Herausforderungen des auftauenden Permafrostbodens konfrontiert ist, verdeutlicht ein tiefgreifendes Dilemma. Viele Bewohner:innen stehen vor der schwierigen Entscheidung, ihre Heimat zu verlassen, da ihre Häuser zunehmend unsicher werden. Trotz der starken Verbundenheit mit ihrem Land, sehen sich viele gezwungen, nach Lösungen zu suchen, obwohl keine der Optionen ideal erscheint.Eine der möglichen Lösungen ist die kollektive Umsiedlung der gesamten Gemeinschaft in eine sicherere Region. Diese Maßnahme würde jedoch erhebliche finanzielle Ressourcen erfordern, Schätzungen zufolge zwischen 120 und 300 Millionen Dollar. Die Suche nach finanzieller Unterstützung gestaltet sich allerdings als herausfordernd. Im Jahr 2016 stellte Paul Charles, der Präsident des Newtok Village Council, einen Antrag auf Anerkennung als Katastrophengebiet bei der FEMA (Federal Emergency Management Agency), der jedoch abgelehnt wurde. Auch ein Antrag auf Umzugsfinanzierung beim Staat Alaska im Jahr 2017 führte zu keiner Zusage.[5] Durch die ausbleibende finanzielle Unterstützung befinden sich viele Bewohner:innen in prekären Wohnsituationen und warten auf die Möglichkeit einer kollektiven Umsiedlung. Einige Einwohner:innen sehen keine andere Wahl, als in größere Städte umzuziehen, um dort ein sichereres Leben zu führen.

Unabhängig davon, ob kollektive Umsiedlungen oder individuelle Umzüge stattfinden, handelt es sich hierbei nicht nur um logistische Unternehmungen, sondern auch emotionale und kulturelle Herausforderungen.[6]  Der Verlust der Heimat und der Zwang, in einer neuen Umgebung Fuß zu fassen, ohne die Gewissheit, die Gemeinschaft intakt halten zu können, spiegelt die tiefe Krise wider, in der sich die Einwohner:innen befinden. “We’re just scared if we relocate we’re going to have to move to different towns. Might not live with each other anymore,”[7] drückt die Angst vor dem Verlust des sozialen Gefüges aus, das für das Überleben dieser Gemeinschaften so entscheidend ist.

Der Aufruf “We are worth saving!” ist mehr als ein Appell; es ist eine Erinnerung an die gemeinsame Verantwortung, die wir tragen, um diejenigen zu unterstützen, die bereits jetzt unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden. Es ist ein Aufruf zum Handeln, um Lösungen zu finden, die nicht nur die physische, sondern auch die kulturelle und soziale Existenz dieser Gemeinschaften schützen. Denn in ihrem Kampf spiegelt sich die universelle Herausforderung wider, die der Klimawandel für die Menschheit darstellt.

Fotoquelle: Aufgenommen am 5. August 2014 17:06; https://de.wikipedia.org/wiki/Shishmaref#/media/Datei:Shishmaref-_Erin_(53)_edit_(15653586503).jpg

Quellen und Fußnoten:

Bronen, Robin; Abild, Erik 2017: Climate change, Displacement and Community Relocation. In: Norwegian Refugee Council.

Bronen, Robin; Chapin, F.S. 2013: Adaptive governance and institutional strategies for climate- induced community relocations in Alaska. In: Proceedings of the National Academy of Sciences, Vol. 110 (23), 320-325.

Gregg, R. M. 2020: Relocating the Native Village of Shishmaref, Alaska Due to Coastal Erosion [Case study on a project of the Shishmaref Erosion and Relocation Coalition]. Version 2.0. Product of EcoAdapt’s State of Adaptation Program. Online verfügbar unter: https://www.cakex.org/case-studies/relocating-native-village-shishmaref-alaska-due-coastal-erosion [letzter Zugriff: 05.02.24]

Marino, Elizabeth; Lazrus, Heather 2015: Migration or Forced Displacement?: The Complex Choices of Climate Change and Disaster Migrants in Shishmaref, Alaska and Nanumea, Tuvalu. In: Human Organization, Vol. 74 (4), 341.

Marino, Elizabeth 2012: The long history of environmental migration: Assessing vulnerability construction and obstacles to successful relocation in Shishmaref, Alaska. In: Global Environmental Change, Vol. 22 (2); 374-381.

Thoman, R. L.; T. A. Moon, and M. L., Druckenmiller, Eds., 2023: Arctic Report Card 2023.

[1] Bronen, Robin; Abild, Erik 2017: Climate change, Displacement and Community Relocation. In: Norwegian Refugee Counci

[2] Thoman, R. L.; T. A. Moon, and M. L., Druckenmiller, Eds., 2023: Arctic Report Card 2023.

[3] Ebd.; Bronen, Robin; Chapin, F.S. 2013: Adaptive governance and institutional strategies for climate- induced community relocations in Alaska. In: Proceedings of the National Academy of Sciences, Vol. 110 (23), 320-325.

[4] https://www.nationalgeographic.com/science/article/climate-change-finally-caught-up-to-this-alaska-village [letzter Zugriff: 05.02.24]

[5] https://www.hcn.org/issues/55.7/north-climate-change-as-newtok-alaska-crumbles-residents-are-left-in-a-dangerous-limbo [letzter Zugriff: 05.02.24]

[6] Marino, Elizabeth 2012: The long history of environmental migration: Assessing vulnerability construction and obstacles to successful relocation in Shishmaref, Alaska. In: Global Environmental Change, Vol. 22 (2); 374-381.

[7] Marino, Elizabeth 2012: The long history of environmental migration: Assessing vulnerability construction and obstacles to successful relocation in Shishmaref, Alaska. In: Global Environmental Change, Vol. 22 (2); 374-381.