Zusammenfassung des Workshop vom 19. Juni 2019, Bonn
INFOE in Kooperation mit dem Global Landscape Forum organisierte am 19. Juni 2019 im Wissenschaftszentrum in Bonn einen Workshop zum Thema “Indigene Sprachen, Wissen und Rechte im Kontext des Klimaschutz, der Wiederherstellung von Landschaften und nachhaltiger Entwicklung”. Der Workshop fand zwischen der ersten Sitzung der Facilitative Working Group der ‘Local Communities and Indigenous Peoples’ Plattform (LCIPP) im Rahmen des UNFCCC Prozesses und dem Global Landscape Forum 2019 Bonn sowie anlässlich des Internationalen UN Jahres der Indigenen Sprachen statt. Gemeinsam mit Vertreter*innen indigener Völker, Wissenschaftler*innen, Student*innen und anderen Interessierten wurden Fragen der Bedeutung indigener Sprachen, deren Schutz und bestehende Herausforderungen diskutiert.
Schätzungsweise sind 40% der etwa 6.700 Sprachen der Welt – darunter die Mehrheit indigene Sprachen – akut vom Verschwinden betroffen. Der anhaltende Verlust indigener Sprachen ist besonders dramatisch angesichts der darin verankerten komplexen Kenntnisse und kulturellen Praktiken, die zunehmend als strategische Ressourcen für verantwortungsvolle Staatsführung, Friedenskonsolidierung, Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung anerkannt werden. Außerdem haben solche Verluste enorme negative Auswirkungen auf die grundlegenden Menschenrechte indigener Völker.
Vor diesem Hintergrund war denn auch eine der zentralen Fragen des Workshops, wie die neu geschaffene Plattform zu lokalen Gemeinschaften und indigenen Völkern im Rahmen der Verhandlungen der Klimarahmenkonvention zum Schutz und einer respektvollen Anwendung der Sprachen und des Wissens indigener Völker beitragen kann. Inwieweit kann die Plattform mit ihren Funktionen und Aufgaben der Bedeutung indigenen Wissens und indigener Wissenschaft gerecht werden?
Der Workshop wurde mit Dankesworten des Mohawk Chief Howard Thompson eröffnet. Um den Hintergrund der Schaffung der Plattform im Rahmen des UNFCCC Prozesses zu erläutern, schilderte Andrea Carmen vom International Indian Treaty Council den Prozess der Beteiligung indigener Völker in der UN bzw. an UN Prozessen, vom ersten Vorsprechen indigener Oberhäupter vor den Türen der UN in 1923 über die langjährige Verhandlung der Erklärung über die Rechte indigener Völker bis zu ihrer Verabschiedung in 2007 und schließlich bis hin zur Operationalisierung der LCIP Plattform bei der UNFCCC Vertragsstaatenkonferenz in 2018. Der lange Weg und der unermüdliche Einsatz indigener Vertreter*innen für ihre Rechte und ihre Mitsprache machen deutlich, welchen Erfolg die Plattform für indigene Vertreter*innen darstellt.
Die Aufnahme der Arbeit der Plattform erfolgt nun über eine Arbeitsgruppe, die Facilitative Working Group (FWG), die aus 7 Vertreter*innen indigener Völker und 7 Vertreter*innen von Regierungen besteht. Rodion Sulyandziga, indigener Vertreter in der FWG für die Region ‘Östliches Europa, Russische Föderation, Zentralasien und Transkaukasien’ berichtete vom ersten Treffen der FWG, das am Wochenende vorher in Bonn stattfand. Er hob den offenen Charakter der Verhandlungen hervor. Indigene Vertreter*innen sowie andere interessierte Teilnehmer*innen der UNFCCC Sitzungen können an den FWG Sitzungen teilnehmen und ihren Beitrag einbringen.
Nach Informationen zum formalen und institutionellen Rahmen leitete Pasang Dolma Sherpa, Vertreterin in der FWG für Asien, zum Kernthema des Workshops über. Eindrücklich berichtete sie von der Situation indigener Gemeinschaften in Nepal, Indien und Thailand bzgl. der indigenen Sprachen. In vielen Gemeinschaften geht es zunächst noch darum, das indigene Wissen und die Bedeutung indigener Sprachen innerhalb der Gemeinschaften aufzuwerten, so dass dieses an die junge Generation weitergegeben werden kann. Aufgrund des vorherrschenden Bildungssystems, politischer Rahmenbedingen, dem Fehlen indigener Lehrkräfte, Abwanderung in die Städte und anderer Faktoren, werden indigene Sprachen von Eltern oft nicht an ihre Kinder weitergegeben. Hier werden Anstrengungen auf Distriktebene in Nepal unternommen, um angemessene Curricula mit indigenen Inhalten und Sprachen zu entwickeln. Von den Teilnehmer*innen kamen Rückmeldungen mit Beispielen aus Borneo und Kanada wo indigene Älteste unterrichten und der Unterricht bis zu 6./7. Klasse in der indigenen Sprache stattfindet.
Nach einer kleinen Pause begann der Gesprächskreis mit einer kleinen Übung zum Verständnis von ‘knowledge’ bzw. der Umschreibung des Wortes/Konzeptes in der jeweiligen Sprache der Teilnehmer*innen. Die Ergebnisse wurden mit Post-its auf dem vorbereiteten Poster festgehalten. Charles Emogor aus Nigeria, der über Skype teilnahm, erläuterte das Wort ‘Osusu’, das in seiner Sprache dem Wort ‘knowledge’ oder Wissen nahekommt und das Zusammenkommen von Menschen beschreibt, die kooperieren, sich zusammenfinden, um Wissen zu schaffen. Er selbst gehört zu einer Generation junger Menschen, die ihre Muttersprache nicht gelernt haben.
Anne Larson, Sozialwissenschaftlerin bei CIFOR, berichtete von Studienergebnissen, die aufzeigen, dass Projekte oder auch Foren dann gut funktionieren, wenn sie sich einem ‘adaptive learning’ verschreiben, d.h. wenn sie die Menschen vor Ort sowie die weitere Realität und den Kontext miteinbeziehen und sich im (Projekt-)Prozess kontinuierlich an diesen und ihren Bedürfnisse ausrichten und das Projekt weiterentwickeln. Als ein Hindernis dafür, warum es nicht mehr ‘Bottom-up’ Praxis gibt, obwohl diese positive Wirkungen erzielt, nannte sie, dass die wissenschaftliche Methode Emotionen, Politik und Befindlichkeiten ausklammert und sich auf die Fakten konzentriert. Dies entspringt natürlich einer bestimmten Weltanschauung, die wqiederum mit einer entsprechenden wissenschaftlichen Sprache verknüpft ist.
Arlen Ribeira, Vertreter der Huitoto aus Peru sagte, dass ihre Sprache die Kunst ihres Überlebens ist. Deshalb sind der Erhalt und die Wiederbelebung ihrer Sprache von zentraler Bedeutung in ihrem Gebiet. Er erzählte wie ihm sein Großvater sagte, dass er nicht studieren brauche, sondern das ‘süße Wort’ behalten solle. Mit der Geschichte vom Vogel Juidako erzählte er, wie Lernen in seiner Gemeinschaft und Kultur verstanden und Wissen weitergeben wird.
Chief Howard Thompson sagte in der Abschlussrunde, dass Wissenschaft heute mit indigenem Wissen sprechen muss und nicht erst morgen. Indigene Völker könnten sagen, welche Veränderungen in der Umwelt, beim Klima und in der Welt passieren; die Wissenschaft könne erläutern warum diese Veränderungen stattfinden. Beide müssen zusammenkommen im und für den Wandel.
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