von Pedro Coña Caniullan (Text und Foto)
Die Mapuche in Chile und Argentinien haben, wie alle indigenen Völker in Südamerika, ihr eigenes Weltbild. Ein Teil der Natur zu sein, ist sowohl für ihre Kultur als auch für die Kontrolle über ihr Wissen von zentraler Bedeutung. Dieses ist im Verschwinden begriffen aufgrund des Drucks zur kulturellen Homogenisierung und Modernisierung, der zum Beispiel durch die internationalen Handelssysteme erhöht wird, die sich auf die Lebensstile und kulturellen Praktiken vieler Gruppen, wie auch der indigenen Völker auswirken (Agrawal 1995).
Nach einer Phase der starken Migration in die Großstädte im Laufe des 20. Jahrhunderts (Altieri und Rojas 1999) bemühen sich die Mapuche-Gemeinschaften derzeit darum, Wege zu finden, sich selbst zu organisieren und ihre eigenen Methoden zur Herstellung und zum Verzehr ihrer traditionellen Lebensmittel gemäß ihre Kultur zu bewahren.
Die Kartoffel (Solanum Tuberosum) ist eine der wichtigsten traditionellen Pflanzen, die in den Gemeinden kultiviert und in vielen kulturellen Aktivitäten verwendet wird, was ihre Bedeutung in der Kultur der Mapuche verdeutlicht. Die Art und Weise, wie Kartoffeln produziert und konsumiert werden, hängt von den vor Ort verfügbaren Ressourcen ab, wie zum Beispiel der Bodenfruchtbarkeit, den Umweltbedingungen, dem Zugang zu Land und der biologischen Vielfalt. Traditionell wird die Kartoffel in den Hausgärten genannt „Huertas“ oder in angelegten Feldern angebaut, die der Erzeugung verschiedener Gemüsesorten für die Familie und die lokalen Märkte dienen.
„Fünan Poñi“ ist ein traditionelles Gericht, das in den letzten Jahrzehnten in den Gemeinden verbreitet war, aber heutzutage leider bei den neuen Generationen weniger bekannt ist. Um diese Mahlzeit zu erhalten, braucht es im Wesentlichen das Wissen und Verständnis von den natürlichen Vorgängen im Fermentationsprozess der Kartoffel sowie Kenntnisse über die ordnungsgemäße Zubereitung und schließlich den Verzehr dieser Art von Kartoffeln. Dieses Wissen ist einerseits Bestandteil der kulturellen Identität und repräsentiert andererseits eine tiefe Verbindung zur Mutter Erde und das angesammelte Wissen über die natürliche Umwelt und den nachhaltigen Lebensunterhalt (Turner et al. 2011).
Diese Art der Kartoffellagerung und -zubereitung beginnt damit, in der Nähe einer natürlichen Quelle ein Loch in den Boden zu graben, das groß genug für ein oder zwei Säcke mit etwa 80 kg Kartoffeln ist. Alle Kartoffeln müssen 3-4 Wochen in Wasser getaucht bleiben, bis der Fermentationsprozess abgeschlossen ist. Danach sind die Kartoffeln bereit für den Verzehr und können dafür auf verschiedene Arten zubereitet werden. Diese Art der Kartoffelzubereitung scheint sehr einfach zu sein, aber es handelt sich um komplexe mikrobiologische Vorgänge, ohne deren Kenntnisse die Zubereitung leicht misslingen kann.
Diese besondere Form des Kartoffelkonsums zeigt uns, wie das überlieferte Wissen in der Mapuche Kultur dazu beiträgt, die Ernährung zu diversifizieren und zu verbessern. Sie steht auch für spezifische Kenntnisse und Erkenntnisse über Nachhaltigkeit, Lebensmittelsicherheit und eine effiziente Nutzung der vor Ort verfügbaren Ressourcen. Es ist außerdem ein Beispiel dafür, wie die Mapuche – wie andere indigene Völker auch – durch ihre traditionellen in ihrem kulturellen Weltbild verankerten Praktiken zu nachhaltiger Entwicklung und globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals – SDGs) auf lokaler Ebene, insbesondere zur Erreichung des SDG2 ‘Kein Hunger’ beitragen.
Literatur:
- Agrawal, Arun (1995): Dismantling the Divide Between Indigenous and Scientific Knowledge. In Development and Change 26 (3), pp. 413–439. DOI: 10.1111/j.1467-7660.1995.tb00560
- Nancy J. Turner, Łukasz Jakub Łuczaj, Paola Migliorini, Andrea Pieroni, Angelo Leandro Dreon, Linda Enrica Sacchetti & Maurizio G. Paoletti (2011) Edible and Tended Wild Plants, Traditional Ecological Knowledge and Agroecology, Critical Reviews in Plant Sciences, 30:1-2, 198-225, DOI: 10.1080/07352689.2011.554492