von Daniel Grünewald
‚Wie indigene Gemeinschaften (kulturelle) Resilienz entwickeln – am Beispiel der Karamojong (Uganda)‘ – Unter diesem Titel veranstalteten Sabine Schielmann (BtE-Referentin, INFOE e.V.) und Simon P. Longoli (Karamoja Development Forum) am 4. Oktober 2023 einen Workshop zu kultureller Resilienz. Der Workshop war Teil des ‚Fachforum Globales Lernen‘, das am 4. Oktober im Haus Wasserburg in Vallendar stattfand. Dieses jährlich stattfindende Forum wird vom ELAN e.V. (Entwicklungspolitisches Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz) sowie vom Ministerium für Bildung Rheinland-Pfalz organisiert und bietet Akteur*innen und Interessierten des Globalen Lernens eine offene Plattform zum Informations- und Erfahrungsaustausch. In diesem Jahr stand das Fachforum unter dem Titel ‚Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten: Resilienz verbessern – Globales Lernen stärken‘. In diesem Rahmen gab es vielfältige Beiträge und Workshops, die sich z.B. mit Achtsamkeitsübungen im Alltag, Resilienzförderung im Bildungskontext oder antirassistischer Arbeit beschäftigten.
Im Workshop zu Kultureller Resilienz gab Sabine Schielmann zunächst eine Einführung in die Thematik und erläuterte einige wichtige Grundlagen: Was ist Kultur? Wie kann Kultur Resilienz fördern? Kultur kann verstanden werden, als eine Gesamtheit an geteilten Regeln, Überzeugungen und Haltungen einer sozialen Gruppe, die deren Wahrnehmung und Deutung von Lebensereignissen formen. Außerdem hängt Kultur stark mit dem Zurechtfinden in Gruppen und an Orten zusammen, mit Verwandtschaft und Gemeinschaft, sowie mit vielem mehr. Eine gemeinsame Kultur und traditionelle Werte können die Resilienz von Gemeinschaften sowie von deren Individuen auf vielfältige Weise stärken. In Situationen, in denen beispielsweise der Lebensunterhalt einzelner Individuen gefährdet ist, kann die Verankerung in einer gemeinsamen Kultur dem Individuum helfen, mit dieser Situation zurechtzukommen. Denn genau darum geht es beim Konzept der Resilienz; um eine Stärkung der Widerstandsfähigkeit, damit schneller und effektiver auf Herausforderungen und Krisen reagiert werden kann – seien sie finanzieller, klimatischer, politischer, kultureller oder identitärer Natur.
Aber wie entsteht kulturelle Resilienz? Sie entsteht, wenn Gemeinschaften sich stark mit ihrem Ort und ihren traditionellen kulturellen Praktiken verbunden fühlen und diese – unabhängig von zeitgenössischen Einflüssen – kontinuierlich reproduzieren, weiterentwickeln und somit langfristig festigen. Viele indigene Völker haben im Laufe ihrer Geschichte eine ausgeprägte kulturelle Resilienz entwickelt, die jedoch oft nicht als solche anerkannt wird. Über viele aktuelle Themen wie die Anpassung an den Klimawandel, nachhaltiges Landmanagement oder den Erhalt der Biodiversität wird international viel beraten und debattiert, jedoch häufig ohne die Berücksichtigung indigener Menschen und Perspektiven. Bei der Suche nach Lösungen für die Krisen der heutigen Welt spielt indigenes Wissen meist nur eine untergeordnete Rolle, obwohl indigene Völker mit ihrer (kulturellen) Resilienz auf vielfältige Weise zur Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen können.
Auch in Karamoja, einer ländlichen Region im Nordosten Ugandas, spielt kulturelle Resilienz eine wichtige Rolle, z.B. in Form von spirituellen Glaubenssätzen, kultureller Identität oder traditionellen Regierungspraktiken. Andererseits sehen sich auch die Karamojong – ein halbnomadisches Hirtenvolk, das einen Großteil der etwa 1,2 Mio. Einwohner Karamojas ausmacht – mit zahlreichen Veränderungen konfrontiert, die ihre kulturelle Resilienz auf die Probe stellen. Zu diesen Herausforderungen zählen die Einflüsse der (post)kolonialen Zentralregierung, die Einflussnahme der ugandischen Polizei zur Sesshaftmachung der Pastoralisten, die Auswirkungen des Klimawandels sowie die fortschreitende Erkundung und Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Aus diesen vielfältigen Herausforderungen ergibt sich für die Karamojong die Notwendigkeit, ihre kulturelle Resilienz aktiv zu stärken. Ein Ansatz dazu ist das KCE (Karamoja Cultural Event), das seit 2014 jährlich stattfindet und den Karamojong eine Woche lang die Möglichkeit bietet, ihre kulturellen Praktiken zu zelebrieren, Wissen auszutauschen und somit ihre (pastorale) Kultur zu festigen und weiterzugeben. Einen näheren Einblick in die Lebensweise der Karamojong bietet dieses Video, das von INFOE in Zusammenarbeit mit dem Karamoja Development Forum erstellt wurde.
Das Institut für Ökologie und Aktionsethnologie (INFOE e.V.) unterhält seine Partnerschaft mit dem Karamoja Development Forum im Rahmen seines Projekts ‚Begegnungen mit indigenen Gemeinschaften für den sozial-ökologischen Wandel‘. In diesem Kontext veranstaltete INFOE e.V. im Juni 2023 bereits zwei Veranstaltungen zum Thema der Wanderweidewirtschaft. Weitere Informationen dazu finden Sie in diesem Beitrag: ‚Wir erfahren was Kölner Hirt*innen mit den Karamojong in Uganda verbindet‘
Weitere Informationen finden sich auch in der Präsentation von Simon Peter Longoli.