von GegenStrömung (INFOE e. V.)

Wasserkraft genießt ein grünes Image. Die Technologie gilt als regenerative Energie und emissionsarm. So wird sie derzeit als geeignete Möglichkeit beworben, um den Klimawandel zu bekämpfen und gleichzeitig eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Investitionen in Wasserkraftanlagen werden von Fonds als „grüne Geldanlagen“ beworben, die Wasserkraftindustrie bemüht sich darum, Mittel aus Klimafinanzierungsmechanismen zu bekommen.

Doch das grüne Image der Wasserkraft bröckelt: Die negativen Folgen von Staudämmen werden zunehmend bekannt. Millionen von Menschen mussten bereits für Staudämme umgesiedelt werden, wichtige Fluss- und andere Ökosysteme wurden zerstört. Insbesondere Indigene, deren Lebengrundlagen stark von Ökosystemen abhängen, sind überproportional oft von den Folgen von Wasserkraftwerken betroffen. Neue Staudämme werden häufig in entlegenen Gebieten gebaut, die oft von Indigenen besiedelt sind. So sind Indigene häufig direkt durch den Bau von Staudämmen betroffen.

Aber auch die indirekten Auswirkungen von Staudämmen betreffen Indigene massiv: Staudämme bilden natürliche Barrieren für Fischwanderungen – Fische können nicht mehr zu ihren Laichplätzen Flussaufwärts ziehen, was zu ihrem Aussterben führen kann. Durch die Umwandlung von Fließgewässer in stehende Gewässer in den Stauseen von Kraftwerken verändert sich die Wasserqualität –der Bau der Staudämme Jirau, Belo Monte und Sinop im brasilianischen Amazonasgebiet führte zum Absterben hunderttausender Fische. Für die Menschen in der Region, die vom Fischfang leben, bedeutete dies die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage – dabei waren auch zahlreiche indigene Gruppen betroffen.

Zudem bieten Staudämme wichtige Infrastruktur für extraktive Wirtschaftszweige. In vielen Ländern werden Wasserkraftprojekte vor allem gefördert, um mit dem Strom energieintensive Bergbauprojekte zu fördern. Doch diese schädigen zusätzlich wichtige Ökosysteme wie Wälder, die einerseits relevante Funktionen für den Erhalt des Weltklimas haben, andererseits die Lebensgrundlage verschiedener indigener Ethnien bieten. In vielen Aspekten sind die Auswirkungen der Wasserkraft nicht mit den UN-Nachhaltigkeitszielen vereinbar. Sie gefährden unter anderem die Ernährungssicherheit von Menschen und gefährden die Biodiversität.

Dabei sind die Nutzen von Wasserkraftwerken für den Klimaschutz geringer, als die Industrie behauptet, denn sie tragen auch zum menschengemachten Klimawandel bei. Staudämme sind – insbesondere in den ersten 20 Jahren ihrer Lebensdauer – bedeutende Quellen des Treibhausgases Methan, das 86-mal stärker wirkt als CO2. Gerade die nächsten Jahre sind aber entscheidend, um die Erderwärmung noch unter 1,5° C zu halten. Eine verstärkte Förderung der Wasserkraft untergräbt dieses Ziel.

Aus diesem Grund forderten anlässlich der Weltklimakonferenz am 11. Dezember dieses Jahres 276 Organisationen der globalen Zivilgesellschaft mit einer gemeinsamen Erklärung die Climate Bonds Initiative (CBI) auf, die Zertifizierung von Wasserkraftwerken als „klimafreundlich“ zu beenden. Sie argumentieren, dass die Kriterien für Wasserkraft, wie sie die CBI entwickelt hat, weit hinter akzeptable Standards zurückfallen. Würde die Finanzierung von Wasserkraft durch die CBI so durchgesetzt werden, bedeutete dies eine Bedrohung für Flüsse sowie die Menschen und Ökosysteme, die von ihnen abhängen. Für den Klimaschutz würde nur wenig erreicht, wie GegenStrömung in mehreren Studien aufzeigt.

Ein angemessenerer Weg, um den Klimawandel zu bekämpfen, ist die Förderung kleinerer und dezentraler Projekte. Große Wasserkraftanlagen stehen im Zusammenhang mit Entwicklungskonzepten, die auf einigen wenigen Großprojekten basieren, welche große Umweltzerstörung mit sich bringen. Ein Umdenken hin zu vielen kleinen Projekten ist sinnvoller, da hier die Umweltauswirkungen geringer ausfallen. Insbesondere in tropischen Regionen werden viele gute Erfahrungen mit Agroforstprojekten gemacht: Sie erhalten eine hohe Biodiversität und können auf relativ kleiner Fläche ganze Familien gut ernähren. Hier kann indigenes Wissen eine große Rolle spielen, denn Indigene – etwa in der Amazonasregion – wirtschaften seit Jahrhunderten mit solchen Methoden.

Links:

Die Erklärung der 276 Organisationen gegen die Klimafinanzierung von Wasserkraftwerken über die Climate Bonds Initiative kann hier heruntergeladen werden (englisch): https://bit.ly/2RCelVR

Die Initiative GegenStrömung (getragen vom Institut für Ökologie und Aktions-Ethnologie e. V.- INFOE) hat mehrere Broschüren und Informationsmaterialien produziert, die über die Probleme der Wasserkraftnutzung informieren:

Factsheet: Keine einfache Lösung – Wasserkraft, der Klimawandel und die Ziele für Nachhaltige Entwicklung
Factsheet: Keine einfache Lösung – Wasserkraft, der Klimawandel und die Ziele für Nachhaltige Entwicklung
Broschüre: Wasserkraft und Klimawandel – Eine problematische Beziehung
Broschüre: Wasserkraft und Klimawandel – Eine problematische Beziehung
Broschüre: Riskante Energie – Staudammsicherheit in Zeiten des Klimawandels
Broschüre: Riskante Energie – Staudammsicherheit in Zeiten des Klimawandels

28 Seiten, 2018

Broschüre: Wasserkraft und Bergbau – Wie eine vermeintlich regenerative Energie mit dem Extraktivismus zusammenhängt
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Broschüre: Ausschlachtung für den Weltmarkt – Wie Amazoniens Staudämme mit deutschen Schnitzeln zusammenhängen
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Broschüre: Das Geschäft mit der Wasserkraft – Schlaglichter auf europäische Konzerne
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