von Freya Purzer
Als Studierende der Ethnologie und zukünftige Ethnolog*innen sind Diskussionen und Gespräche mit anderen Menschen fundamental für unsere Arbeit. Gerade in Zeiten von Corona – in denen ethnografisches Arbeiten schwierig ist – müssen wir den Fokus auf den mündlichen Austausch legen. Studierende haben normalerweise viele Möglichkeiten ihren Interessen nachzugehen oder sich neben der Universität weiterzubilden und mit unterschiedlichsten Menschen in Kontakt zu kommen, indem sie Kultur-, Politik-, oder Informationsveranstaltungen besuchen. Durch die Corona-Pandemie sind viele dieser Möglichkeiten weggefallen oder begrenzt worden.
Alternativ zu den Präsenzveranstaltungen werden nun Online-Veranstaltungen angeboten. Eine besondere Gelegenheit bot sich uns hierzu am 17.06.2020 in Form einer Podiumsdiskussion zum Thema „Klimawandel“ mit zwei indigenen Vertreter*innen, Pasang Dolma Sherpa aus Nepal und Rodion Sulyandziga aus Russland. Die Online-Diskussion wurde vor allem für uns – als Teilnehmer*innen – des Tutoriums „Indigene und Klimawandel“ veranstaltet, war aber für weitere Interessent*Innen offen. Im Tutorium haben wir einen Fokus auf den Aspekt ‚Indigenes Wissen‘ und dessen Bedeutung gelegt.
Frau Sherpa und Herr Sulyandziga haben uns verdeutlicht, wie wichtig indigenes und traditionelles Wissen und die Einbeziehung dieses Wissens, in lokale und globale Politikentscheidungen, ist, um der Klimakrise entgegenzuwirken. Unser Konsum und unsere Lebensweise haben die Umwelt ins Ungleichgewicht gebracht und vor allem diejenigen, die am wenigsten dazu beigetragen haben, leiden am stärksten unter den Folgen. Paradoxerweise haben die Betroffenen auch in politischen Entscheidungsprozessen kaum Mitspracherecht. Leider wird dem noch zu wenig Beachtung geschenkt, wie Sherpa und Sulyandziga betonen.
Die meisten von uns aus dem Kurs wurden in einer „westlich idealisierten“ Welt sozialisiert, in der indigenes Wissen kaum eine Rolle spielt, weil es nicht den „westlichen Wissensstandards“ entspricht. Die Einbeziehung und Teilnahme Indigener an globalen Diskussionen und Entscheidungen ist zentral. Diese erfolgten aber lange nur aus der Beobachterperspektive, ohne Stimmrecht. Erst mit dem Paris Abkommen und der Einrichtung der Plattform zu ‘Lokalen Gemeinschaften und indigenen Völkern’ haben sie nun eine offiziell anerkannte Rolle bei den UN Klimaverhandlungen. Sherpa und Sulyandziga sehen die Beteiligung am globalen Diskurs zwar als Fortschritt, kritisieren aber die effektive Beteiligung an Entscheidungsfindungen. Laut den indigenen Vertreter*innen sind Profitgier und wirtschaftliche Interessen lokaler und globaler Akteure oft die richtungsweisenden Faktoren in der Klimapolitik.
Ein Punkt, dem wir uns nicht so bewusst waren, betrifft die Ausweisung von Naturschutzgebieten. Der erste Gedanke daran ist meist positiv, denn ein Gebiet unter Naturschutz zu stellen, klingt zuerst sinnvoll. Was ist aber, wenn das Gebiet von Indigenen zur Kultivierung von Pflanzen oder zur Nahrungsbeschaffung genutzt und mit dem Schutzstatus den Indigenen der Zugang verwehrt wird? Sherpa und Sulyandziga sehen dieses Vorgehen kritisch.
Dank der Diskussion ist uns noch bewusster geworden, welche Dringlichkeit das Thema „Klimawandel“ vor allem für Indigene, die meist in den vom Klimawandel extrem betroffenen Regionen leben, hat. Wir haben die Chance diesem Thema noch mehr Aufmerksamkeit zu geben und eine respektvolle Unterstützung indigener Rechte voranzutreiben. Wichtig ist dabei vor allem das Empowerment der Indigenen und die globale Kooperation auf Augenhöhe.
Die Teilnehmer*innen des Tutoriums danken hiermit noch einmal herzlich den Organisator*innen der Online-Diskussion, sowie Pasang Dolma Sherpa und Rodion Sulyandziga, die uns die Möglichkeit gegeben haben, über den Tellerrand hinauszuschauen.